Das Wichtigste in Kürze:
Gestern haben wir uns angeschaut, wie du neue Informationen besser lernst. Diese grundlegende Erkenntnis ist wichtig, aber natürlich löst sie nicht alle Schwierigkeiten beim Lernen. So müssen wir beispielsweise auch verstehen, dass unser Gehirn nicht zu jedem Zeitpunkt und unter allen Bedingungen gleich gut arbeitet. Dementsprechend können wir auch nicht ständig und überall gleich gut lernen.
Körper und Geist
Dass Sportler darauf achten ihren Körper gesund zu halten und zu trainieren, klingt plausibel, denn ihr Körper ist ihr Kapital. Der Körper ist jedoch auch bei geistigen Aufgaben elementar. Dies wird besonders deutlich, wenn man einmal übermüdet und hungrig ist und in diesem Zustand für eine Prüfung lernen möchte. Man ist schnell reizbar und kann die Konzentration nicht lange hochhalten. Fakt ist: Um leistungsfähig zu sein, benötigt unser Körper ausreichend Sauerstoff und Energie. Eine gesunde Ernährung und ein durchlüftetes Zimmer, ein ausgeruhter Körper und ein frischer Geist, der an diesem Tag nicht bereits viele Stunden rotiert hat, sind besonders gute Voraussetzungen für das Lernen.
Zwar kannst du nicht immer alle Bedingungen kontrollieren, da z.B. manche Schultage sehr lang sind, du ab und zu wichtige Termine hast oder du schlecht geschlafen hast. Einige Dinge kannst du jedoch sehr gut und teilweise sogar sehr leicht beeinflussen. Zum Beispiel kannst du das Zimmer vor dem Lernen einmal durchlüften, du kannst etwas essen, was nicht schwer im Magen liegt. Ruhe dich vor einer längeren Konzentrationsphase ein wenig aus und gehe anschließend etwas nach draußen, um dich zu bewegen.
Denk für einen Moment darüber nach, zu welchen Zeitpunkten du oft Hausaufgaben bearbeitest und lernst. Gehst du manchmal an deine Aufgaben heran, obwohl du hungrig, übermüdet und gestresst bist? Was könntest du ändern, damit dies seltener der Fall ist? Könntest du deine Lernzeiten zum Beispiel zeitlich verschieben?
Zu müde oder zu gestresst zum Lernen?
Wenn man erfolgreich lernen möchte, so hilft es sich darüber bewusst zu werden, unter welchen Bedingungen unser Gehirn besonders lernbereit ist.
Menschen können sich in drei verschiedenen Zonen befinden, die für das Lernen relevant sind: Die Komfortzone, die Lernzone und die Panikzone.
In der Komfortzone ist unsere geistige Bereitschaft zu arbeiten, zu lernen und die Welt zu verändern, eher schwach ausgeprägt. Unsere Herausforderung ist es also, die Lernzone zu erreichen. Wenn ich nachmittags frei habe, mir niemand Druck macht und ich mit meinen Freunden rumhänge, einen spannenden Film anschaue oder mich meinen Hobbys widme, treibt mich kaum etwas zum (unbequemeren) Lernen an.
Umgekehrt ist es auch vorstellbar, dass man sich in der Panikzone befindet: Die Eltern machen Druck, die letzten Prüfungsergebnisse waren schlecht oder es droht gar das Sitzenbleiben. In diesem Fall drehen sich die Gedanken um das Scheitern und die Konsequenzen. Negative Gefühle wie Frust und Angst überwiegen und alle Aussichten auf einen Erfolg färben sich schwarz. Wenn es so weit gekommen ist, ist es dringend nötig wieder zurück in ein unbeschwertes Verhältnis zum Lernen zu kommen.
Falls es bei dir bereits jetzt so weit gekommen sein sollte, ist guter Rat teuer. In einigen Fällen helfen Gespräche mit Eltern, Lehrern und auch Freunden, um anderen zu signalisieren, dass einem alles gerade über den Kopf wächst. Im besten Fall können diese Personen etwas von dem Druck nehmen, den der Lernende empfindet.
Für deinen Weg zum Abitur solltest du immer Folgendes beachten: Mache dir bewusst, dass du in der Panikzone kaum zum Erfolg kommen wirst. Dies erreicht du durch bewusstes Zeitmanagement.
Zeitmanagement und Rhythmus
Besonders populär heutzutage ist das sogenannte Bulimielernen. Man setzt sich wenige Tage vor einer Prüfung hin und schaufelt möglichst viele Informationen in sich hinein, um diese am Tag der Prüfung wieder auszuspucken. Das mag hin und wieder funktionieren, aber um langfristiges Lernen handelt es sich hierbei nicht. Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, dass man manchmal lieber kurz vor knapp anfängt zu lernen, weil man sich in manchen Phasen in wenig Zeit sehr vielen Prüfungen stellen muss oder manchmal einfach auf andere Dinge als Schule Lust hat.
Das Problem jedoch ist, dass dieses nur kurz und durchaus intensiv gepaukte Wissen oft nur im Kurzzeitgedächtnis bleibt und nach wenigen Wochen, manchmal auch schon nach einigen Tagen, kaum noch nutzbar ist. Und das wird spätestens in der darauffolgenden Klausur zum Problem. Und erst recht im Abitur! Wie auch sollten sich bei einer in kürzester Zeit verschlungenen Vielzahl von Informationen sinnvolle und tiefe Verknüpfungen zum Vorwissen entwickeln? Es ist kaum möglich!
Es gibt Leute, die sagen: „Damit bin ich bis jetzt immer ganz gut gefahren“. Sie erkennen den Preis nicht, den ein solches Lernen hat. Erinnern wir uns: Lernen funktioniert durch Verknüpfungen besonders gut! Wenn das für eine Prüfung „Gelernte” aber nach einigen Wochen nicht mehr verfügbar ist, weil es nicht verknüpft wurde, dann kann sich auch in Zukunft nichts mit diesem „Wissen” erneut verknüpfen. Einzelne Trampelpfade liegen verwaist im Kopf herum, führen ins Nirgendwo und werden auf kurz oder lang überwuchern und verschwinden. Vokabeln, die man für einen Englischtest gepaukt hat, muss man doch wieder nachschlagen, weil man sie nicht mehr im Kopf hat. Rechenwege, die man für eine Prüfung kurzzeitig draufhatte, sind nicht mehr verfügbar. Das bedeutet: Wenn ich heute nicht richtig und tief lerne, werde ich es in Zukunft schwerer haben, neue Dinge zu lernen. In jedem Fall werde ich später einmal, in höheren Jahrgangsstufen, viel mehr Zeit investieren müssen als andere Schüler, da es mir schwerer fallen wird, Verknüpfungen für neue Informationen herzustellen.
Wenn man kein Superhirn ist, der sich alles perfekt merken kann, führt kein Weg dran vorbei: Man muss bewusst seine Lernzeit planen. Man muss früher anfangen und kann dadurch den Lernstoff auch besser portionieren. Um es auf den Punkt zu bringen: Man benötigt ein Zeitmanagement und einen Rhythmus für das Lernen.
In der Oberstufe hat eine Unterrichtsreihe zu einem bestimmten Thema eine Dauer von etwa 10 bis 12 Schulstunden, verteilt über drei bis fünf Wochen. Dann schließt sie mit einer Prüfung ab. Wie sähe deiner Meinung nach ein gutes Zeitmanagement für eine Prüfungsvorbereitung aus, wenn du das Thema verstehen möchtest, du ein gutes Prüfungsergebnis anstrebst und auch langfristig das Gelernte behalten möchtest?
Tipp: Bedenke, dass auch die Klausuren der anderen Fächer zu ähnlichen Terminen geschrieben werden und dass du gegebenenfalls auch einmal krank wirst.
Beim Intervalllernen (auch Distributed Practice genannt) handelt es sich um eine besondere Form des Zeitmanagements. Kern dieses Prinzips ist, den Lernstoff nicht innerhalb kurzer Zeit komplett durchpauken, da er dadurch oft nur oberflächlich, lückenhaft und kurzfristig behalten werden kann. Stattdessen sollen die Lernzeiten für einen Stoff mindestens 12, besser bis zu 24 Stunden auseinander liegen, wenn man ihn in den kommenden Wochen wieder abrufen möchte. Ganz konkret bedeutet dies beispielsweise für das Vokabellernen, dass man beispielsweise besser eine Woche lang jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zehn Minuten Vokabeln einer Lektion lernt, als dass man nur einen Tag lang 60 Minuten am Stück die Vokabeln lernt. Der Zeitaufwand insgesamt ist identisch, aber durch die Intervalle, die sich insgesamt über einen längeren Zeitraum erstrecken, werden die Vokabeln über eine längere Zeit hinweg präsent gehalten und können besser gelernt werden. Werden die „alten” Vokabeln auch später immer wieder einmal wiederholt, so wird der Lernerfolg noch größer, sodass man sich nach einigen Jahren in einer Fremdsprache deutlich wortreicher ausdrücken kann als es sonst möglich gewesen wäre.
Dass diese Erkenntnis logisch plausibel ist, wird auch deutlich, wenn man das Intervalllernen mit dem Trainieren von Muskeln vergleicht. Jeden Tag zehn Liegestütze zu machen wird einen Menschen deutlich fitter werden lassen, als nur einmal im Monat wie verrückt zu trainieren und die restlichen Tagen dazwischen zu relaxen.
Es ist bekannt, dass Wiederholungen die Erfolgschancen erhöhen. Um etwas zu lernen, sei es Laufen, Sprechen, Fußball oder Tanzen, müssen wir bestimmte Prozesse wiederholen, um sie zu perfektionieren. Beim Rechnen und Schreiben ist dies selbstverständlich ebenso. Nach Jahren des Trainings können wir nun ganz passabel lesen, schreiben und rechnen, machen weniger Fehler und bewegen uns dabei auf einem deutlich höheren Niveau als noch zu Schulbeginn.
Was aber passiert durch Wiederholungen im Gehirn? Gehen wir kurz nach draußen, nachsehen! Wenn Nervenzellen und ihre Verbindungen, in denen wir bestimmte Informationen abgespeichert haben, immer wieder aufs Neue angesprochen werden, intensivieren sich diese Verbindungen. Man könnte sagen, das Gehirn ähnelt einer Wiese, auf der sich Trampelpfade bilden. Durch die rege Benutzung entstehen nach und nach immer tiefere Furchen und daraus schließlich ein richtiger Feldweg. Auf einem solchen Feldweg kann man sich selbstverständlich viel schneller bewegen als wenn man hohes Gras durchqueren möchte. Genauso ist es in unserem Gehirn: Die vorhandenen Verknüpfungen sind anfangs noch sehr zart, aber durch ständige Wiederholungen werden stabile Bindungen daraus. Fällt dir übrigens etwas auf? Anstatt dir einfach nur Fakten zum Gehirn vor die Füße zu werfen, geben ich dir immer wieder Bilder und Vergleiche. Hiermit kann man das Gehirn unterstützen, die neuen Informationen sinnvoll in vorhandene Informations-Strukturen einzupassen. Quasi Mini-Eselsbrücken, an die man sich auch später noch besser erinnert.
Wie oft man etwas wiederholen muss, um etwas gut abspeichern zu können, scheint allerdings sehr unterschiedlich zu sein. Dem einen fliegt der Stoff nur so zu, der andere büffelt und büffelt und kann sich doch nur die Hälfte merken. Das könnte mehrere Ursachen haben. Manchmal sprechen wir von Talent, manchmal von einem bestimmten Interesse für etwas, weswegen unser Vorwissen und unsere Motivation sich von anderen unterscheidet. Ein ganz wesentlicher Aspekt jedoch besteht in dem, was du bereits in diesem Kapitel erfahren hast: Es liegt an der Fähigkeit, neue Informationen zu verknüpfen. Gelingt es uns gut, neue Informationen zu verknüpfen, dann ist es so, als ob die neuen Informationen einen Anker im Gehirn setzen und sich schnell dort festsetzen können.
Es kommt also nicht immer nur auf die Anzahl der Wiederholungen an, sondern auch auf die Qualität der Verknüpfungen. Deutlich wird dies, wenn man sich bewusst macht, dass es Dinge gibt, die man nur ein einziges Mal sieht und nie wieder vergisst. Es wäre ja auch sehr schlecht, wenn man seine Traumfrau / seinen Traummann trifft – und sich einen Tag später nicht mehr daran erinnert. Die Verknüpfungen von Sinnesreizen (attraktiv, riecht gut), Emotionen (Aufregung, Freude), Eigenaktivität (etwas gemeinsam unternehmen, miteinander tanzen) und persönlichem Bezug (jemand passt zu mir, spricht meine Wünsche an, interessiert sich für mich) sind dabei so groß, dass man sich nicht nur gut an eine Person erinnert, sondern an gar nichts anderes mehr denken und sie/ihn gar nicht mehr vergessen kann, selbst wenn man wollte.
Kurzum: Je besser die Umstände des Lernens, desto besser das Lernergebnis. Und viele dieser Faktoren kann und sollte man beeinflussen. Nimm dir noch kurz eine Minute Zeit, um das Wichtigste aus diesem Kapitel in die Lern-Box zu notieren.
Morgen werden wir deinen persönlichen Lerntyp analysieren, um für dich passende Lernstrategien zu entwickeln. Bis dahin wünsche ich dir einen schönen Tag!